Sarajevo Marlboro – Miljenko Jergović (1994)

Das kurze Buch des Miljenko Jergović. Der Mann hat wucherndes, wildes Haar und schreibt wuchernde, 1000seitige Romane.

Er hatte allerdings mal kurze Haare und trug auch den Bart kurz. Damals schrieb er kurze Texte über das Festhalten der Würde in würdelosen Zeiten und versammelte diese in einem spartanischen Erzählband.

Miljenko Jergović verbrachte das erste Jahr der Belagerung von Sarajevo (1992-1995) in Sarajevo und erarbeitete aus dem Grauen “Sarajevo Marlboro”, das sogleich – teilweise von StudentInnen übersetzt – einen deutschsprachigen Verlag fand.

“Vor Salih F.s Augen haben die Tschetniks Frau und beide Töchter mit einer Motorsäge zerschnitten.”

Die Texte sind zwischen drei und fünf Seiten lang. Sie haben keine Einleitung und kein Ende. Jergović nennt die Texte “Erzählungen”, aber die Story bleibt außen vor.

Der mörderische Krieg gegen die Stadt erzeugt skurille Bilder im Vexierspiegel der Texte: Die Gewalt kommt von überall her – Aber in Alkoholikerkneipen wie auch im Rosengarten oder im Keller üben sich die Belagerten in Selbstbeherrschung, im Festhalten an Normalität, taktvolles Staunen über westliche Kriegsreporter inklusive. Danke!

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Inzwischen in neuer Übersetzung:
Miljenko Jergović: Sarajevo Marlboro

 

 

2 Kommentare

  1. Danke für Jergović! Ich überlege schon länger, was diese typischen Balkan-Figuren ausmacht, mit denen ja auch Ivo Andrić und Emir Kusturica arbeiten. Der Boxer bei Jergović, Mišo Srce zum Beispiel: Undenkbar in britischen oder französischen Texten. oder auch der schreckliche Vojvode Musa.
    Wüteriche, brutal, herzzerreißend.

  2. Ich mag sogar die alte Übersetzung lieber.
    Es ist ein sehr merkwürdiges Buch. Man darf es nur lesen, wenn man bereit ist, sich auf den Krieg einzulassen. Bin ich selten. Aber dann haut es mich um.

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