Honig – Ian McEwan (2012)

Spionageromane sind nicht nur aus der Mode, sondern auch äußerst schwierig zu rezensieren: Keine überraschende Wendung darf verraten werden, der Service am Leser muss spoilerbedingt Slalom fahren.

Was zu Honig gesagt werden kann: Trotz kalten Kriegs und brutaler nordirischer Bombenbedrohung bastelt der legendäre britische Geheimdienst MI5 auf ganz bescheidenem Niveau: Geheimdienstlehrlinge ohne Ausbildung sollen einen unwichtigen Autor „anwerben“, das heißt zu einem hohen Stipendium überreden, Gegenleistung wird keine eingefordert, diese werde sich schon irgendwie ergeben, auch wenn die Autoren gar nicht wissen, dass der Geheimdienst hinter dem Geldsegen steckt. Mit leuchtenden Augen erzählen sich die Beamten untereinander von George Orwell, dessen Farm der Tiere auf CIA-Kosten in die ganze Welt übersetzt wurden.

Das Projekt wird auf Schiene gebracht, nach den unumstößlichen Regeln des Spionageromans verlieben sich Anwerberin und Autor ineinander, sie stellen Loyalitäten in Frage und verraten einander, wie es eben sein muss. Sie geben dem Publikum erst in allerletzer Sekunde den entscheidenden Hinweis, was sich hier in Wirklichkeit gerade abgespielt hat.

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Wer hat hier einen Roman verfasst? Wie gut kann ein Autor seine weibliche Hauptfigur kennen? Haben die Figuren ihren Autor belogen? Ist der Doppelagent längst enttarnt? Wie andere Autoren arbeitet auch McEwan gerne mit dem Mise en Abyme: Mit der Literatur in der Literatur in der Literatur. Der Autor lässt uns dabei zuschauen, wir er schreibt, indem er uns zeigt, wie Autoren schreiben : )

Honig ist leichtfüßige Unterhaltung, exzellent geschrieben und versteckt äußerst geheimagentenmäßig seine hohe literarische Referenzialität hinter harmlosen Wendungen und stichelt zusätzlich ein wenig gegen den Literaturbetrieb insgesamt. Enjoy!

Ian McEwan: Honig

 

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